Sinn befähigt zum Verzicht
Verzichten fällt schwer. Aber möglich ist verzichten schon und manchmal ist Verzicht sogar notwendig. Wie wären sonst Höchstleistungen im Sport und in der Wissenschaft zu erreichen? Denn um eine Sache ganz intensiv und gut zu machen, muss ich auf zahlreiche andere Dinge und Möglichkeiten verzichten. Verzichten heißt ja nichts anderes, als von zwei oder sogar mehreren Alternativen, die alle interessant, ansprechend, vielversprechend sind, die eine zu wählen, die ich verwirklichen will, die mir wirklich wichtig ist. Dafür verzichte ich auf alle anderen. Ich komme nur weiter, wenn ich mich für eine Alternative entscheide, mich auf sie einlasse, mit ihr auseinandersetze und mich für dieses gewählte Ziel engagiere. Will ich auf nichts verzichten und mir alle Möglichkeiten offen halten, erliege ich einer Täuschung, die schnell zu Enttäuschung werden kann. Nichts ist verwirklicht, alles bleibt in der Schwebe, dem eigentlichen Ziel komme ich kein bisschen näher.
Was kann den Verzicht erleichtern? Was motiviert und befähigt den Menschen dazu? Immer ist es der Sinn, der im Verzicht aufleuchtet. Das Ziel, das dem Einzelnen wichtig ist, motiviert ihn. Das Ja, das er zu diesem Ziel sagen kann. Dieses Ja zu einem sinnvollen Ziel trägt, ist eine Kraftquelle und stärkt den Menschen durch die Gewissheit: Ja, dafür will ich leben!
Der Text von Paul Roth lädt zu diesem Ja ein.
Du kannst dir nicht ein Leben lang
die Türen alle offen halten,
um keine Chance zu verpassen.
Auch wer durch keine Türe geht
und keinen Schritt nach vorne tut,
dem fallen Jahr für Jahr
die Türen eine nach der andern zu.
Wer selber leben will, der muss entscheiden:
Ja oder Nein –
im Großen und im Kleinen:
Wer sich entscheidet, wertet, wählt
und das bedeutet auch: Verzicht.
Denn jede Tür, durch die er geht,
verschließt ihm viele andere.
Man darf nicht mogeln und so tun,
als könne man beweisen,
was hinter jeder Tür geschehen wird.
Ein jedes Ja
– auch überdacht, geprüft –
ist zugleich Wagnis
und verlangt ein Ziel.
Das aber ist die erste aller Fragen:
Wie heißt das Ziel,
an dem ich messe Ja und Nein?
Und: Wofür will ich leben.
Fragen Sie sich selbst hin und wieder:
Wofür will ich leben? Worauf kann ich verzichten?