Bleiben Sie auf dem Boden!
„Demut macht glücklich. Ist es nicht so? Lässt, wer bereit ist, die Würde und Größe eines Werkes von Bach oder Beethoven in sich aufzunehmen, nicht unweigerlich ab von seinen egoistischen Zielvorstellungen, weil vermeintliche Wichtigkeiten sich relativieren? Ich habe nie gelernt, die Hoffnung aufzugeben.“
Alice Herz Sommer
Das sind starke Worte. Wird Demut nicht oft falsch verstanden als eine Haltung, die uns klein, unterwürfig und unglücklich macht? Doch hier ist das genaue Gegenteil gemeint: Demut als Ausdruck innerer Größe und innerer Freiheit. Im Lateinischen heißt Demut „humilitas“. Da steckt das Wort „humus“ zu deutsch „Boden“ drin. Demut wäre dann eine Einladung, auf dem Boden zu bleiben statt „abzuheben“. Wir haben Boden unter den Füßen, wissen, wo wir stehen, und können aus diesem festen Stand zu allem in Beziehung treten. Nichts kann uns so leicht umwerfen. Wir können Situationen relativieren, über sie hinausschauen und Schwierigkeiten meistern. Genau das kann in der Coronakrise sehr hilfreich sein. Trotz aller Einschränkungen erleben wir Glück und Lebensfreude. Demut ist die Fähigkeit, über die eigenen Bedürfnisse und vermeintlichen Wichtigkeiten hinaus zu schauen und Größeres in den Blick zu nehmen. Sie ermutigt uns Schönes, Großes und Wertvolles wahrzunehmen, wie die Musik von Beethoven, ein Gemälde, eine Landschaft, einen beeindruckenden Menschen. Dadurch wird uns alles zum Geschenk und wir erleben Freude und Glück und spüren eine große Dankbarkeit. Demut macht kreativ. Auf der Internetseite von Taizé habe ich gelesen, dass dort die Coronaregeln „Gesten der Achtsamkeit gegenüber anderen und sich selbst“ genannt werden. Diese menschenfreundliche Formulierung relativiert, was wir für unerträglich halten. Wir fühlen uns damit gleich ein wenig besser und dankbar. Das ist Glück trotz einer schwierigen Situation und eine Ermutigung, die Hoffnung nicht aufzugeben.
Stehen Sie auf festem Boden und üben Sie diese Haltung der Demut, die glücklich macht.
Entdecken Sie Schönes, Großes, Wertvolles. Lassen Sie zu, dass sich dadurch manches in seiner Wichtigkeit relativiert.
Pflegen Sie Gesten der Achtsamkeit gegenüber sich selbst und anderen.